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Weil Kinder nicht lügen!

Ein Interview mit Erzieherinnen und Erziehern von morgen

Am 12.02.2019 haben wir mit Wendy, Zehra und Kolja; drei Studierenden unserer damals frisch gebackenen Fachschule für Sozialpädagogik; das erste von drei Interviews geführt, um herauszufinden, was ihre Vorstellungen, ihre Motivationen und Erwartungen an die Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher ist.

Wir begleiten die drei durch die gesamte Studienzeit und freuen uns schon auf ihr Feedback nach dem ersten Ausbildungsjahr. Hier aber zunächst die Eindrücke und Statements von damals:


Wendy, weshalb möchtest du Erzieherin werden?
Ich möchte die Erzieherausbildung machen, weil Kinder nicht lügen und die Kleinigkeiten im Leben noch wahrnehmen, was uns Erwachsenen meist nicht mehr gelingt. Die Kinder erinnern uns daran und das möchte ich erleben.

Zehra, wenn Du nicht Erzieherin werden würdest, dann würdest du welchen Beruf erlernen wollen?
Darüber habe ich noch gar nicht genau nachgedacht, weil die Erzieherausbildung bisher das Einzige für mich war. Sonst würde ich einen anderen Beruf mit Menschen machen - vielleicht Altenpflege? Aber nicht im Büro - das wäre langweilig. Ich brauche menschliche Interaktion!

Kolja, was hast du vor der Ausbildung zum Erzieher so gemacht?
Ich habe im Tirol bereits eine Ausbildung als Outdoortrainer abgeschlossen, die ist allerdings in Deutschland nicht anerkannt. Dabei ging es vor allem um Erlebnispädagogik mit Kindern.

Du hast also schon mit Kindern gearbeitet.
Ja, ich habe speziell Kinderkurse geleitet und seither war für mich klar, dass ich auch weiterhin mit Kindern arbeiten möchte.

Wendy, hast du eine Idee, wo es für dich später hingehen soll? Worauf willst du dich spezialisieren?
Ich würde gerne in die Jugenarbeit gehen und möchte mit behinderten Kindern arbeiten, insbesondere interessiere ich mich für die Gebärdensprache. Ich sehe es als Defizit, dass es Menschen gibt, die eigentlich dieselbe Nationalität, Herkunft und Sprache haben und man sie trotzdem nicht verstehen kann, wodurch sie ständig benachteiligt sind.

Kannst du schon etwas Gebärdensprache?
Ich habe nach dem Abitur schon Kurse an der HU besucht und versuche das bereits mit einfließen zu lassen.

Zehra, gibt es etwas im Erzieherberuf, wovor du dich im Momaent noch fürchtest?
Was wahrscheinlich krass für mich wird, ist der Abschied von den Kindern, wenn sie größer sind und in die Schule kommen. Einerseits ist es ja ein glücklicher Moment und großes Feedback nach all den Jahren, wenn man sieht, was die Kinder so können und wie sie sich entwickelt haben. Aber irgendwie wird es bestimmt auch traurig.

Und vor den unterschiedlichen Familien und Sozialräumen, ob ich das in den ersten Jahren so gut hinbekommen werde mit den Eltern. Davor hab ich ein bisschen Angst.

Kolja, was sind Helikoptereltern?
Überaufmerksame Eltern, die immer Angst um ihre Kinder haben, die ihnen vieles nicht erlauben, weil sie denken, die Kinder könnten sich verletzen. Als männlicher Betreuer habe ich auch schon die Erfahrung gemacht, dass sie sofort von sexuellen Übergriffen ausgehen. Sie bringen den Betreuern sehr viel Mißtrauen entgegen.

Hast du das Gefühl, ständig aufpassen zu müssen oder dich rechtfertigen zu müssen?
Nein, überwiegend ist das kein Thema, außer eben bei Helikoptereltern.

Wendy, welche Erwartungen hast du an die Ausbildung hier?
Ich habe die Erwartung, dass sie uns sozial sowie vom Bildungsniveau schult und mehr auf die Bildung für uns eingeht, als es im Abitur oder Schulabschluss der Fall war, weil der sehr allgemein gehalten ist. Aufgrund der Speziellen Fachrichtung erwarte ich, dass wir sehr gut vorbereitet werden und dass wir auch eine andere Idee vom Lernen bekommen, als wir es aus der Pflichtschule kennen.

Zehra, welches Thema interessiert dich im Rahmen der Ausbildung am Meisten? Was willst du unbedingt besser kennenlernen?
Ich will mich mit der kindlichen Entwicklung beschäftigen. Ich habe ein Praktikum auf der Förderschule gemacht und dort die Entwicklungsdokumentation kennengelernt. Allerdings durfte man da nie in die Tagebücher schauen, wegen Datenschutz. Deshalb konnte ich bisher auch nicht rausfinden, nach
welchem Schema oder welcher Theorie der Entwicklungsstand eines Kindes bewertet wird.

Kolja, worin liegt für dich persönlich die gesellschaftliche Notwendigkeit dieses Berufs?
Ich finde, dass man an diesem Punkt die größte Möglichkeit hat, die Gesellschaft zu verändern oder Einfluss darauf zu nehmen, wie sich die Zukunft weiterentwickelt. Und es ist unserer Aufgabe, den Kindern die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu entdecken und vielleicht auch die Möglichkeit
bekommen, eine bessere Welt zu erschaffen, als die, in der wir gerade leben. Deshalb finde ich es einen unglaublich wertvollen Weg. In keinem anderen Bereich hat man so viel Einfluss darauf, die Zukunft mitzuentwickeln.

Wendy, welches ist die Lieblingsfigur von Vierjährigen?
Ich habe gerade ganz neue Infos dazu gelesen. Es sind die Eltern! Denn wenn 7-Jährige anfangen, Demonstrationen gegen sie zu organisieren, ist es ein deutliches Zeichen, dass viele Eltern sich prinzipiell nicht mehr genug mit ihren Kindern auseinandersetzen und sich ihrer so wichtigen Rolle nicht bewusst sind.

Spannend, ich hätte die Frage präzisieren sollen - ich dachte eher an die Peanuts oder so.

Ich habe dich schon richtig verstanden - es sind eben die Eltern ;-) Und der 7 oder 8-jährige Junge hat (mit Hilfe seiner Eltern) eine Demo gegen Eltern organisiert oder vielmehr gegen die ständige Nutzung ihrer Handys. Die Demo findet morgen in Hamburg statt und ich habe es gerade gestern auf
Facebook geteilt, deshalb ist es die aktuellste Antwort auf deine Frage.

Zehra, letzte Frage für dich: Welche Heldenfigur hattest du als Kind?
Bambi (lacht) - nein Scherz.
Meine Heldin war meine Mutter. Meine Eltern kommen aus der Türkei und meine Mutter hat sich immer extrem gut gegen alle Widerstände durchgesetzt. Ich habe sie immer bewundert. Wir hatten im Osten (Ost-Berlin) einen Laden und sie trägt Kopftuch. Ihr deutsch war nicht so gut und die Leute
waren skeptisch. Aber als sie immer gekocht hat, auch Königsberger Klopse und
sowas (lacht), hatte sie am Ende mehr Kontakt zu den Gästen als die anderen Mitarbeiter. Sie hat sich so toll entwickelt und wurde schnell total anerkannt - ich habe gesagt, so will ich auch sein.

Kolja, zum Abschluss eine tiefgehende Frage: Wo geht man als Erzieher von morgen feiern?
Haha...ähm..., natürlich im "Mensch Meier" - die haben halt inklusive Parties auch mit mehrfach-behinderten Menschen, was ich total cool finde. Sie haben außerdem eine Awareness-Struktur, wo man hingehen kann, wenn man blöd angemacht wird oder man sich nicht wohlfühlt - die haben einfach einen sehr verantwortungsbewussten Umgang mit Feiernden.

An diesem bewussten und fairen Umgang miteinander kann man sich auch als Erzieher ein Beispiel nehmen.


Ich danke Euch für Eure Zeit und wünsche Euch ein erfolgreiches erstes Jahr. Wir sehen uns dann im Februar 2020 zum zweiten Interview.